Hilfe! Ich vergesse, was ich gelesen habe!

Lisa fängt an, ihre Dissertation zu schreiben. Während ihrer Forschungsphase hat sie keine Zeit gehabt, alles zu lesen, geschweige denn, alles zu verstehen. Sie las damast ertmal die Literatur und strich sich wichtige Passagen an, in der Hoffnung, sie später beim Schreiben ihres Textes verwenden zu können. Beim Schreiben integriert sie alles in den Text, wohl darauf bedacht, die Zitate in Anführungszeichen zu setzen und ihre Quellen anzugeben. Sie will auf keinen Fall des Plagiats beschuldigt werden.

Doch die Doktormutter wirft ihr vor, Gedanken falsch zitiert zu haben. Sie haben die Texte nicht verstanden, kritisiert sie die Professorin. Wie soll ihr Lisa sagen, dass sie die Texte nicht falsch verstanden hat, sondern, dass sie sie gar nicht gelesen hat? Lisa war davon überzeugt, ernsthaft zu arbeiten ; nun erkennt sie die Oberflächlichkeit ihres Wissens. Wie soll sie ihre Wissenslücken jetzt schnell schliessen, jetzt, wo die Zeit drängt und sie bereits angefangen hat, zu schreiben ?

In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie mit wissenschaftlicher Literatur produktiv umgehen können. Denn nur anstreichen reicht nicht, um Texte zu verstehen, zu verdauen, kritisch darüber nachzudenken oder sie mit anderen verbinden zu können. Nehmen Sie sich Zeit, zumindest die Texte, auf welche Sie sich beziehen werden, richtig zu lesen und zu verstehen.

Schluss mit dem langweiligen, passiven Lesen – Lesen Sie aktiv!

Die Information der Texte ist oft zu dicht, so dass es nicht möglich ist, beim reinen Lesen alles verstehen und behalten zu können. Deswegen ist es ratsam, das Lesen in unterschiedliche Phasen aufzuteilen: passive (nennen wir sie input) und aktive Phasen (output).

So lesen Sie richtig:

  • Lesen (input)
  • Wiedergeben des Gelesenen (output), sei es schriftlich, mündlich oder mental
  • Bei Bedarf, Kontrollektüre

und dann wieder:

  • Lesen (input)
  • Wiedergeben des Gelesenen (output)
  • Bei Bedarf, Kontrollektüre

Nach spätestens 45 Minuten legen Sie eine Pause ein, denn üblicherweise sinkt die Konzentration nach dieser Zeit. Es ist sinnlos, weiterzulesen zu wollen, wenn Sie nichts mehr auffassen können. Anstatt arbeiten zu wollen, wenn Sie sich nicht mehr konzentrieren können, ruhen Sie sich besser aus und sei es nur für 5 Minuten: Bewegen Sie sich, atmen Sie tief ein und aus, schliessen Sie die Augen.

Diese Abwechslung von input und output erleichtert das Lesen und wirkt motivierend. Anstatt mehrmals das Gleiche zu lesen, weil man die Passage nicht versteht, was langweilig und unproduktiv ist, sind Sie als Leser aktiv.

Die output-Phasen brechen die Passivität des Lesens und regen zu weiteren Gedanken an. Mehr noch: Sie haben ein konkretes Ergebnis in der Hand, was immer wohltuend für die Seele ist.

Im Folgenden finden Sie eine Übung, die darauf abzielt, nach diesem abwechselnden Muster zu lesen und sich dabei Inhalte anzueignen.

Wählen Sie zuerst einmal eine Textpassage von 1-2 Seiten. Mit mehr Erfahrung können Sie diese Übung dann auch mit längeren Textpassagen machen.

Beim Lesen bestimmter Texte scheint es einem oft unmöglich, das Gelesene mit eigenen Worten wiederzugeben oder zusammenzufassen: Der Stil ist perfekt und alle Informationen scheinen unentbehrlich. Um jedoch Abstand zu gewinnen und das Wesentliche herauszufiltern, ist es manchmal notwendig, einen Text mit eigenen Worten wiedergeben zu können. Auch dafür gibt es eine bewährte Methode, die im Folgenden vorgestellt wird.

Nachdem Sie einen Text gelesen haben, legen Sie ihn beiseite. Nehmen Sie ein Blatt im Querformat und teilen Sie es folgendermaßen auf:

  1. Schreiben Sie in der linken Spalte auf, was Sie vom Text behalten haben. Schreiben Sie zügig und ohne nachzuschlagen  Ihre Ideen nieder und orientieren sie sich zunächst an den Kernaussagen.
  • Wenn Sie sich an den Anfang nicht erinnern, dann schreiben Sie das, woran Sie sich erinnern, in welcher Reihenfolge auch immer.
  • Feilen Sie nicht an Formulierungen. Fällt Ihnen das passende Wort nicht ein, dann schreiben Sie das, was Ihnen einfällt.
  • Wenn Ihnen das passende Wort nicht auf Deutsch, sondern in einer anderen Sprache einfällt, dann schreiben Sie jenes Wort.
  • Stellen Sie Ihre Kritik am eigenen Werk erstmal zurück. Wenn Sie eine innere Stimme hören, welche etwas sagt wie nein, das kannst du nicht schreiben, das ist doof, das musst du gleich umformulieren… schreiben Sie schneller. Je schneller Sie schreiben, umso weniger kann sich Ihr innerer Kritiker ausdrücken.
  • Kümmern Sie sich nicht um Rechtschreibung, Grammatik, Stil. Falls Sie mit dem Computer arbeiten, schalten Sie am besten das Korrekturprogramm aus.
  • Wenn Sie sich nicht erinnern können, schreiben Sie  Ich erinnere mich nicht, ich erinnere mich nicht , bis Ihnen etwas einfällt.
  • Wenn Sie sich an den Anfang nicht erinnern, dann schreiben Sie das, woran Sie sich erinnern, in welcher Reihenfolge auch immer.
  1. Lesen Sie den Originaltext wieder und tragen Sie Korrekturen und Ergänzungen in der rechten Spalte ein.

Hier noch einige Hinweise:

  • Es empfiehlt sich, diese Übung unmittelbar nach dem Lesen zu machen, um Inhalte vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis zu befördern.
  • Bei langen Texten ist es außerdem ratsam, die Lektüre in Etappen einzuteilen und eine Textpassage Schritt für Schritt zu lesen, sie dann zusammenzufassen und zur Kontrolle nochmals zu lesen.
  • Wie lang soll die gelesene Textpassage sein? Das hängt von Ihrem momentanen Auffassungsvermögen und vom Schwierigkeitsgrad des Textes ab. Schätzen Sie ein, wie lange Sie sich beim Lesen des ausgewählten Textes konzentrieren können, wie viele Informationen Sie behalten können und teilen Sie den Text entsprechend ein.

Dieses Verfahren sieht zwar zunächst zeitaufwendig aus. Sie werden aber bald feststellen, dass Sie, mit etwas Übung, die wichtigsten Informationen immer besser und schneller herausfiltern und behalten werden.

Die Vorteile der selbstgeschriebenen Zusammenfassung

  • Sie prägen sich den Textinhalt ein. Solange der Text nicht von Ihnen formuliert wurde, sei es mündlich, mental oder schriftlich, bleibt er etwas Entferntes und Fremdes.
  • Sie überprüfen Ihr Textverständnis. Beim ersten Lesen merken Sie sich einfache Ideen oder Inhalte, die Sie bereits kennen . Indem Sie diese niederschreiben, entlasten Sie ihr Gedächtnis. Beim zweiten Lesen sind Sie offener für neuere, komplexere Inhalte. Es kommt beim ersten Lesen vor, dass Sie glauben, den Text verstanden zu haben. Bei dieser Übung können Sie das entweder bestätigen, oder sie werden merken, dass Sie etwas zunächst übersehen hatten, das Ihr Verständnis des Textes ändert – was völlig normal ist bei der Dichte an komplexen Informationen, die wissenschaftliche Literatur beinhaltet.
  • Sie trainieren Ihr Gedächtnis. Je mehr Sie solche Übungen machen werden, umso besser werden Sie sich Inhalte merken.

Ich möchte Sie dazu ermutigen, sich Zeit zu nehmen, um Textinhalte mit eigenen Worten wiederzugeben. Probieren Sie eine Woche lang, täglich einen Textabschnitt, mit der hier beschriebenen Technik 30 Minuten lang zu bearbeiten. Sie werden staunen, wie sich Ihre Lesequalität am Ende der Woche gebessert haben wird !

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

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  1. Liebe Frau Boeglin, ich habe vor einigen Jahren eine Ihrer Schreibwerkstätten besucht, die mir schon damals sehr half. Seitdem schaue ich hin und wieder in die Kopien und nun habe ich auch Ihren Internetauftritt besucht. Ich bin froh, dass Sie Ihre Erfahrungen auf diese Weise teilen – sie sind immer wieder nützlich, weil man häufig in alte Arbeitsweisen wie panisches, zielloses Lesen zurückfällt. Es ist ein langer Prozess der Integration der Methoden in den wissenschaftlichen Arbeitsalltag, aber es motiviert jedes Mal erneut, sich Ihre Hilfestellungen anzunehmen. Vielen Dank!

    1. Liebe Lilian, ich freue mich sehr, Ihre Nachricht zu lesen! Herzlichen Dank! Ich gebe Ihnen Recht, es ist ein langer Prozess, neue Methoden in den Arbeitsalltag zu integrieren – eigentlich geht es darum, glaube ich, alte Gewohnheiten durch neue zu ersetzen, und da sind die Widerstände manchmal so stark! Aber wenn man regelmässig daran arbeitet, dann werden sie zur Gewohnheit – und da hat man gewonnen :).
      Ich wünsche Ihnen viel Freude und viel Erfolg mit Ihrer Arbeit 🙂 !

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